Steirisches Wurzelfleisch

18.04.2020

Nun ist der dreiunddreißigste offizielle Tag der Ausgehbeschränkung in Wien. Ich schreibe Rezeptidee Nr. 68. Na fein, Theater und Kultur bis Ende August gestrichen. Jetzt ist unser Kabarett-Abend im Mai auf August verschoben worden, jetzt ist der Termin auch wieder weg.

Heute war ich für unsere Oldies einkaufen, da morgen wieder ein Taxi mit Lebensmittel unsere Helden versorgt. Ma, war ich begeistert. Eine kleine Schlange vor dem Feinkostladen. Hätte ich nicht die Einkaufsliste der Oldies mit, wäre ich umgedreht.

Zwanzig Minuten später. Ich stehe noch immer am gleichen Fleck. 5 Personen dürfen gleichzeitig in das kleine Lokal. Es hat den Anschein, als würden die Einkäufer mit jeder Paradeiser, Gurke, Paprika und Co. ein persönliches Corona-Zwiegespräch führen. Am meisten nerven mich die Menschen, die momentan mit 2-3 Bodyquards einkaufen gehen und somit das ganze Lokal ausfüllen.

Langsam finde ich aber die Warterei ganz nett. Man muss nur Menschen beobachten.

So stehe ich da und schaue mal zu. 10 Personen stehen vor mir. Alle brav mit Abstand. Schätze mal überall ein Meter. Die Oma, die dritte in der Reihe, die mit dem Nordicwalkingstöckchen wechselt ständig zwischen rechter Hausmauer und linkem Gehsteigende. Die braucht heute nicht mehr in den Park. 3 Personen vor mir, eine junge Dame mit Einkaufswagerl. Das pickt a bissi. Na, Mahlzeit. Plötzlich sucht sie hektisch ihr Handy. Dazu zerrt sie ein dickes Buch aus dem Wagerl. Schaut aus, wie eine Bibel der Typen, die immer vor der Haustür stehen. Sie schlägt auf und fängt darin heftig zum Kritzeln an. Ein Blinder mit Krückstock sieht, dass das kein Kalender ist. Aber alle richten gebannt die Blicke auf sie. Ist das jetzt Shoppingoffice?

Der junge Mann vor mir, der mit einem dicken Kaputzensweater, dem Stofffetzen vor dem Gesicht, leicht lädierten Kopfhörern, den aufgerissenen Schuhen wippt zu seiner Musik. Ich wünsche mir nichts mehr, er würde sich in eine Wasserlache auflösen, denn wir stehen in mitten der prallen Sonne, bei gefühlt 100 Grad. Dann hätte ich nur noch 9 vor mir. 

Vor ihm der ausländisch wirkende Mann gafft jeder jungen Dame, die sich bei uns vorbeischiebt lüstern nach. Das sehe ich sogar durch die Maske. Seine Hand hat ständig in seiner Leibesmitte zu tun. Na Mahlzeit.

Weiter vorne in der Reihe ein Ehepaar mit einem Einkaufswagerl. Sie steht, als wäre sie an das Wagerl angepickt seit nun über 30 Minuten am gleichen Fleck und starrt gerade aus. Er läuft zwischen ihr und dem Eingang hin und her und brappelt ihr ständig was vor, was ich aber bis zu mir nicht verstehe.

Und ich? Ich lehne an der, trotz Sonne kalten Mauer, weiß ganz genau, am Abend tut mir mein Rücken weh und Chef darf mit der Massagecreme anrücken. Aber das Kabarett ist mir das wert.

Heute in Renates Krisenkochbuch: Als kleine Überraschung für Chef, da ich jetzt im April nicht in die Südsteiermark gekommen bin und somit kein Essen mitgebracht habe. Er isst es gerne, ich mag es weniger. Aber es ist halt Liebe:

Steirisches Wurzelfleisch

Ich nehme von meinen Vorräten:

  • Schopfbraten ohne Knochen (Alternativ: Schweinsschulter oder Bauchfleisch)
  • Schweinsknochen (gibt normal der Fleischer gleich mit)
  • Zwiebel
  • Petersilienwurzel
  • Schuss Weißweinessig
  • Pfefferkörner
  • Wacholderbeeren
  • Lorbeerblatt
  • Festkochende Erdäpfel
  • Karotten
  • Gelbe Rübe
  • Schnittlauch
  • Kren
  • Salz, Pfeffer

Fleisch kalt abspülen, trocken tupfen. Zwiebel mit der Schale groß würfeln. Sellerie und Petersilienwurzel würfeln. Fleisch mit Zwiebel, Petersilienwurzel, Essig, Pfefferkörner, Lorbeerblatt, Salz, Sellerie ins Wasser geben, nochmals aufkochen und zugedeckt bei niedriger Hitze ca. 80 Minuten garen. Immer wieder schauen, ob das Fleisch mit Wasser bedeckt ist.

Wenn ihr Knochen verwendet: dann zuerst Wasser aufstellen und Zwiebel mit Knochen ins kalte Wasser legen und aufkochen. Dabei aufsteigenden Schaum abschöpfen. Danach erst Fleisch und Gewürze einlegen, Temperatur reduzieren.

Fleisch aus der Suppe nehmen. Diese durch ein Sieb gießen, das Fleisch samt Erdäpfel (Geschält und halbiert, geviertelt oder in Scheiben) wieder in die Suppe einlegen. Ca. 10 Minuten garen lassen, danach Karotten- und Rübenstifte (wenn möglich ganz fein geschnitten, also Julienne-Gemüse) einlegen und nochmals ca. 10 Minuten garen lassen.

Kleiner Tipp: Garprobe für das Schweinefleisch: mit einer Fleischgabel anstechen und versuchen, es senkrecht aus der Suppe zu heben. Löst sich das Fleisch dabei von der Gabel, dann ist es ausreichend gegart.

Suppe mit Salz und Pfeffer abschmecken. Fleisch in Scheiben schneiden.


Fleisch mit Erdäpfel und Gemüse anrichten, etwas Suppe aufgießen, Kren und Schnittlauch bestreuen und servieren.

Alternativ können Salzerdäpfel gereicht werden: Dazu Erdäpfel schälen und vierteln, dabei darauf achten, dass alle in etwa gleich groß sind. In Salzwasser ca. 10 Minuten köcheln lassen. Abgießen und kurz ausdampfen lassen.

Kümmelerdäpfel: Erdäpfel nach dem Kochen mit Kümmel bestreuen.

Das steirische Wurzelfleisch ist ein deftiger Klassiker der österreichischen Küche und kann auf eine lange Tradition zurückblicken.

Mahlzeit. Bleibt gesund!

Wien, 18.04.2020