Rindsbraten mit Wurzelsauce

03.05.2020

Nun ist der achtundvierzigste offizielle Tag des Corona-Wahnsinns. Wir sind auf dem Weg zur neuen Normalität, sofern die Lockerungen keine neuerlichen Rückfallquoten hervorrufen. Ich schreibe Rezeptidee Nr. 86. Gestern ging es los. Bis auf Gastronomie, Ausflugsziele, Fitnessstudios, Veranstaltungen, Kinos und uns Busunternehmen, durfte so ziemlich alles seine Türen aufsperren.

Heute Vormittag ruft mich ein Freund an: "Ma, das war die Hölle. Zuerst haben wir zwei Stunden. Bitte wirklich ZWEI Stunden!!!!", brüllt er mir in den Hörer, "einen Parkplatz gesucht. Da passen tausende Autos hin und glaubst, da fahrt einer weg. Wahnsinn. Musste meine Frau aussteigen lassen, dann habe ich mich reingequetscht!" Man muss wissen, dass besagter Freund so einen kleinen Hupfer als Auto hat, weil er es eh nur eine Handvoll Tage im Jahr äußerln führt.

"Dann sind wir beim Eingang und bei jedem Geschäft ewig angestanden. Zum Glück habe ich ein Stückerl W-lan erwischt. Und der Fetzen im Gesicht! Ich habe nur noch geschwitzt! Andauernd dachte ich, ich sterbe, weil ich keine Luft mehr bekomme. Sag, hattest du keine Probleme?"

"Ich?", ich überlege kurz. Heute war der erste Tag der offiziellen Geschäftsöffnung. Chef war seit 06.00 in der Früh arbeiten. Für heute hatte ich gestern vorgekocht. "Ich? Ne, also Parkplätze hatte ich genug. Maske habe ich auch keine gebraucht. Zach war es trotzdem, bin ca. 2 Stunden in der Sonne in der Wiese gelegen. Die Wolkenstimmung war ein Traum, so etwas habe ich lange nicht gesehen..."

"Das hätte ich auch gerne gemacht", er fällt mir ins Wort, "weißt, wie mir schon die Füße weggetan haben. Glaube, ich habe die Sohlen der neuen Schuhe, die vorige Woche geliefert wurden, schon durchgetreten. Und das neue, trendige T-Shirt aus dem Onlineshop war total durchgeschwitzt! Tja, und dann hat die Gastro drinnen nicht offen. Nicht mal ein Bier habe ich bekommen!"

"Ich auch nicht", vielleicht trösten ihn meine Worte, "aber Mineral hatte ich genug mit! Wenn man so wartet, dann braucht man Flüssigkeit!"

"Das habe ich meiner Frau auch gesagt, aber sie wollte nichts mitnehmen, weil eh keiner shoppen gehen wird. Das war wohl ein Fall von denkste. Sag, wo warst du?"

"Ich? In der Natur bei meinen Tieren."

"Achja, deine Naturfotografie war auch ein Corona-Opfer. Mensch, wie ich dich beneide. In der frischen Luft, auf der Suche nach tollen Motiven. Du hast sicher wieder traumhafte Fotos. Musst mir dann welche schicken. Tiere beobachten ist so toll. Mensch, da wäre ich auch gerne gewesen!"

"Wieso warst du nicht?"

"Spinnst du? Bitte Renate! Hallo Frau Krisenköchin! Meine Frau und ich waren 47 Tage NICHT SHOOOOOPEN! Keine Kleidung probiert! Keine Billigläden durchforstet. Immer nur im Supermarkt macht es keinen Spaß. Da kannst ja nicht lustwandeln! Ach geh, und die Lieferei die letzten Wochen. Der Packerldienst war schon ganz geschwächt, was der angeschleppt hat! Ma, das war heute eine richtige Freude. Wir haben es wahrhaft genossen! Nächsten Samstag fahren wir dann ins Einkaufscenter auf das andere Ende von Wien."

Und so hat jeder seine innigsten Wünsche am ersten Tag zum Weg der neuen Normalität ausgelebt.

Heute in Renates Krisenkochbuch:

Rindsbraten mit Wurzelsauce

In Tschechien ist Svickova ein traditionelles Gericht der böhmischen Küche. Da wird der Braten noch mit Fettstreifen gespickt und mit typisch böhmischen Knödeln serviert. Dazu gibt es einen Tupfer Schlagobers, Preiselbeeren und Zitrone. Nachdem die Grenzen zu sind, ich Gusto drauf habe, muss ich es selbst kochen. Nur spicken tue ich nichts. Wer es dennoch nicht lassen kann, dem sei gesagt, das reine Fett in dickere Streifen schneiden und tiefkühlen, dann kann man das Fleisch damit leichter spicken.

Ich nehme von meinen Vorräten:

  • Rindfleisch im Ganzen (hatte beim ersten Mal Rindschnitzelfleisch, diesmal (für das zweite Mal) ein Schulterstück - ist besser, hat der Fleischhauer gesagt - wir wollen es nicht fett, also Chef schon, ich nicht. Und ich koche! Noch Fragen? Normal geht auch ein Nackenstück, Tafelspitz, Hüfte, Keulenstück wie Ober- oder Unterschale, Nuss. Wer es edel möchte, nimmt einen Rindslungenbraten)
  • Suppengemüse (Karotte, Lauch, gelbe Rübe, Petersilienwurzel)
  • Zwiebel
  • Lorbeerblatt
  • Wacholderbeeren
  • Butter (ich hatte Ceres Soft)
  • Salz, Pfeffer
  • Gemüse- oder Rindsuppe (oder Wasser mit Suppenwürfel)
  • Rotwein (Wenn Kinder mitessen, weg lassen)

Backrohr auf 160 Grad vorheizen.

Fleisch kalt abspülen, trocken tupfen und von allen Seiten salzen und pfeffern. In einem Topf, der für den Backofen geeignet ist, das Fleisch von allen Seiten scharf in Butter (Öl, Ceres Soft) anbraten. Und kurz herausnehmen.

Es sollte ein, für das Backrohr, geeigneter Topf mit Deckel sein. Ideal ist auch ein Römertopf, wer noch einen hat. Ich habe einen Le Creuset-Topf, die schönen in Orange mit Deckel.

Geschnittenes Gemüse im Bratenansatz anbraten, mit Rotwein ablöschen und mit Suppe aufgießen.

Das Gemüse sollte mit Flüssigkeit bedeckt sein, nicht das Fleisch.

Das Fleisch auf das Gemüse legen.

Bei einem Kilo Fleisch rund 2 Stunden braten lassen, immer wieder kontrollieren, ob das Gemüse noch genug Flüssigkeit hat - das Gemüse sollte nicht verbrennen, da es danach zu einer guten Sauce wird.

Am Ende das Fleisch herausnehmen. Das Gemüse (Lorbeerblatt und Wacholderbeeren herausfiltern) in ein hohes Gefäß umfüllen, Salz und Pfeffer dazu und mixen. Fertig.

Wer die Sauce noch gehaltvoller möchte, mischt noch Rahm dazu.

Dazu passen Kroketten, Semmelknödel, Serviettenknödel, Erdäpfelknödel. Da gehen ausnahmsweise unsere Meinungen auseinander. Also mache ich für Chef Kroketten und für mich noch den letzten, eingefrorenen (Fertig gekauften) Erdäpfelknödel - oh Schande. Zu meiner Verteidigung, habe ich im beginnenden Corona-Wahnsinn für den Notfall gekauft.

Kroketten: (diesmal mit Mengenangaben - da es nur noch Reste waren. Es sind genau 12 Kroketten daraus geworden)

  • 180 gr (im geschälten Zustand) Mehlige Erdäpfel
  • 15 gr Butter (weiß ich so genau, weil wir so ein kleines Packerl - wie beim Hotelfrühstück - hatten.)
  • 1 Dotter
  • 1 EL Mehl
  • Salz, Pfeffer, Muskat
  • 1 Eiklar
  • Brösel

Erdäpfel schälen und in Salzwasser weich kochen. Ausdampfen lassen und zerstampfen. Mit Dotter, Butter, Salz, Pfeffer, Muskat, Mehl mischen.

Ca. 20 Minuten rasten lassen.

Eine Rolle formen - am besten auf einer bemehlten Fläche rollen.

In Krokettengröße schneiden.

Kroketten in Eischnee (Ev. noch das ganze Ei dazu) und dann in Brösel wälzen.

In heißem Fett frittieren. Oder im Backofen bei 180 Grad Ober- und Unterhitze für ca. 30 Minuten backen.

Sind a bisserl a Spielerei, aber so lecker. Da esse ich sogar welche mit.

Alternativ passen auch gut dazu: Nudeln nach Wunsch, Spätzle, Erdäpfel

Und auch bei den Getränken scheiden sich ausnahmsweise einmal unsere Geister. Chef ist für tschechisches Bier, ich für ein Glas gepflegten Rotweins.

Mahlzeit. Bleibt gesund!

Wien, 03.05.2020