Faschierter Braten

22.04.2020

Nun ist der siebenunddreißigste offizielle Tag der Ausgehbeschränkung in Wien. Ich schreibe Rezeptidee Nr. 74. Heute Morgen stehe ich mit frisch gewaschenen Haaren vor dem Spiegel. Irgendwie fremd die Frau vis-a-vis und dennoch hat sie einen besonderen Reiz. 

Ich streiche gedankenverloren durch das samtig-flauschige, dichte Haar. Die Haare so weich wie nie. Nicht ruiniert durch zu viel Farbe, Haarspray und zu viel Waschen. Und so lange. Endlich wieder. Nachdem ich vor Jahren in einem Wahn mir meine geliebten, langen Haare kurz schneiden lies. Alle waren so begeistert von der neuen Renate. "Ma, die kurzen Haare, die passen dir so gut!"

Und ich? Ich konnte mich nicht mal anschauen. Jetzt langsam passt es für mich wieder. Und was die anderen sagen ist mir wurscht.

Naja, ganz passt es auch nicht. Der weiße Nachwuchs stört mich schon. Zumindest ein bisschen. Ein bisschen viel. Nicht beim frischgewaschenen Haar, sondern wenn es fetter wird. Auch wenn ich derzeit nur noch einmal in der Woche waschen muss, weil es nicht so fettig wie sonst immer ist. Anscheinend erholt sich mein Haar. Danke Corona-Krise.

Ehrlich gesagt, ich schaue schon sehr räudig aus. Nein, eher, als käme ich direkt aus einem Überlebenstraining, was eigentlich der Corona-Zeit entspricht. Zwar mit extrem weichen, aber auch sehr zotteligen Haar.

Ich habe jetzt beschlossen, ich lasse die Haare so, die machen mich so naturverbunden, so überlebenskämpferisch, so Corona-geplagt. Ich bin richtig stolz auf meinen Entschluss.

Nachmittags stehe ich bei uns im Aufzug. Nicht oft, aber wenn wir viele Getränke eingekauft haben, dann nehme ich das technische Hilfsding mit dem ehrlichen Spiegel. Ich stehe gelangweilt inmitten Mineral, Saft und Bier und starre in den Spiegel. Oh Gott, der Spliss! Wie heißt es in der Werbung: "ein Tannenbaum", nein, da ist ein Meer von Tannenbäumen. Ich könnte ganz Wien im Advent damit beliefern. Hilfe! Ich habe jetzt drei Möglichkeiten: ich muss zum Friseur - ich schneide mir die Spitzen selbst, wie in Jugendtagen, als das Geld fehlte - ich fahre nicht mehr Aufzug.

Heute gibt es in Renates Krisenkochbuch:

Faschierter Braten (falscher Hase) normal oder deluxe (Stephaniebraten)

Ich nehme von meinen Vorräten:

  • gemischtes Faschiertes
  • Zwiebel
  • Knoblauch
  • Speck
  • Alte Semmel, Toastbrot oder Semmelwürfel
  • Milch
  • Ei
  • Petersilie
  • Majoran
  • Muskatnuss
  • Kümmel
  • Suppengemüse
  • Etwas Senf
  • Salz, Pfeffer

Für das Erdäpfelpüree

  • Mehlige Erdäpfel
  • Zimmerwarme Butter
  • Zimmerwarme Milch
  • Zwiebel
  • Mehl, Paprikapulver

Faschierter Braten:

Zwiebel, Knoblauch schälen und würfeln, anbraten. Speck mit anrösten.

Semmel in Würfel schneiden (oder gleich Semmelwürfel nehmen), in etwas Milch einweichen. Ca. 10-15 Minuten einweichen.

Semmeln auspressen, gemeinsam mit Faschiertem und Eier in eine große Schüssel füllen und gut verkneten. Salz, Pfeffer, Gewürze einarbeiten. Zum Schluss die Zwiebel, Knoblauch, Speck-Mischung unterheben.

Backrohr auf 180 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen.

Das Faschierte zu einer Rolle verarbeiten und in eine feuerfeste Form geben. Das Suppengemüse klein würfeln und rund um den Braten legen, das Ganze mit etwas Suppe oder Wasser mit Suppenwürze aufgießen. Achtung, der Braten sollte nur leicht im Wasser liegen. Den Braten hin und wieder mit der Suppe übergießen. Alternativ ginge auch mit Bier übergießen. Für ca. 45-60 Minuten ab in den Ofen/mittlere Schiene

Wenn der Braten fertig ist, das gegarte Gemüse mit dem Bratensaft, etwas kalter Butter und einem Schuss Weißwein in eine Schüssel geben und pürieren - ergibt gleich eine herrliche Sauce.

Mir hat einmal ein Fleischhauer ein Schweinsnetz dazu verkauft, in dem habe ich den rohen Braten eingewickelt. Er war wirklich sehr saftig. Heute hatte ich aber keines bei der Hand.

Dazu passen alle Arten von Erdäpfel. Bei uns gibt es Erdäpfelpüree:

Erdäpfel schälen, würfeln, weich kochen.

In eine Schüssel eine große Portion Butter, dann die gekochten, noch heißen Erdäpfel dazu. Mit einem Erdäpfelstampfer zerstampfen. Soviel Milch dazu, bis die gewünschte Konsistenz vorhanden ist.

Zwiebelringe:

Zwiebel in Ringe schneiden. In einer Schüssel Mehl mit Paprikapulver mischen. Zwiebelringe durch die Mehlmischung ziehen und in heißem Fett knusprig braten.

Dazu noch ein frischer Salat nach Wunsch.

Kleiner Tipp: Der Faschierte Braten wird auch falscher Hase genannt. Zum Stephaniebraten wird er, wenn in die Masse gekochte Eier, Gurkerl, Karotten und/oder Frankfurter oder Debreziner eingearbeitet werden.

Wer einen Fleischwolf und Reste vom Osterschinken hat, könnte auch diesen faschieren und zu einem Braten machen.

Mahlzeit. Bleibt gesund!

Wien, 22.04.2020